Ich bin von Adipositas betroffen.

Als Kind war ich das, was man „stärker“ oder ein wenig „fester“ bezeichnet. Ich war immer ein wenig „mehr“ als die anderen – zumindest habe ich das so empfunden. Wenn ich mir heute Bilder von meiner Kindheit anschaue, finde ich mich eigentlich recht normalgewichtig, jedenfalls sicher weniger dick, als ich selbst das empfunden habe. Schon seit frühester Jugend war mir Essen wichtig, damit konnte man mich begeistern, zu einem guten Essen war ich leicht zu verführen. Mich hat niemand gezwungen aufzuessen, sondern ich wurde eher ermahnt, doch nicht noch nachzunehmen und „es ist schon genug – denk an dein Bäuchlein“ habe ich öfter gehört als mir lieb war. Ich habe einfach, seit ich mich erinnern kann, mehr als meine Freundinnen essen können und zugegebener Maßen sehr gerne gegessen. Kochen und Backen hat mir schon im Volksschulalter Spaß gemacht.

Meine Mutter, obwohl nicht übergewichtig, war immer wieder auf Diät und so habe ich meine ersten eigenen Diäterfahrungen mit ca. 12 Jahren gemacht. Während meiner Pubertät hat die Jo-Jo-Berg- und Talfahrt so richtig begonnen. Keine Diät, die ich nicht ausprobiert habe, so absurd, um sie nicht dennoch zu probieren, konnte sie gar nicht sein. Eierdiät, Ahornsirupdiät, weight watchers, FdH, Nulldiät und viele andere mehr. Es kam wie es kommen musste – kurzfristige Erfolge, langfristig immer ein Plus auf dem Kilokonto. Mit Mitte zwanzig habe ich mittels mehrjähriger Psychotherapie den Kampf gegen die Kilos fortgesetzt. Es hat nichts geholfen. Mit Anfang dreißig hatte ich begonnen, mich langsam damit abzufinden, dass ich eben bin, wie ich bin. „Rund und (noch) g’sund.“ Ich war verheiratet, hatte zwei kleine Kinder – und das machte mein „dickes“ Leben anstrengend und viele körperliche Aktivitäten fielen mir mit meinem Übergewicht unglaublich schwer.

Zufällig habe ich von Magenverkleinerungsoperationen erfahren, was damals (wir schreiben das Jahr 2004) noch Seltenheitswert hatte. Anfangs dachte ich, wie verzweifelt und verrückt muss man sein, sich in seinen gesunden Magen und Darm schneiden zu lassen? Diese Möglichkeit habe ich vorerst gänzlich für mich ausgeschlossen. Dennoch war ich „auf den Geschmack“ gekommen, begann mich für das Thema zu interessieren, habe viele Vorträge gehört, Selbsthilfegruppentreffs besucht und mich in diversen Internetforen informiert und ausgetauscht. Nach einem Jahr Vorbereitungszeit war es dann soweit und ich habe mich im Jahr 2005 einer bariatrischen Operation unterzogen (RNY-Bypass). Ich konnte auf diese Weise mein Ausgangsgewicht halbieren, bin seither normalgewichtig und habe viel an Lebensqualität, Mobilität, Lebensfreude und Selbstvertrauen dazugewonnen.

Essen ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, da ich ein Genussmensch bin und immer bleiben werde. Denn, wie wir Operierten immer sagen: Wir sind im Bauch operiert und nicht im Kopf. Ohne Operation hätte ich es allerdings nicht geschafft. Dennoch: Die Operation ist kein Selbstläufer. Ich muss trotz Operation auf mein Gewicht achten und darauf, nicht wieder zuzunehmen. Mein Magenbypass ist ein Hilfsmittel, vergleichbar mit einer Krücke. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, ab dem man sich bewähren und wieder ohne Hilfsmittel zurechtkommen muss. Das fällt nicht immer leicht, aber es funktioniert weitgehend. Darüber hinaus lebe ich auch mit Begleiterscheinungen, die bei solchen Operationen auftreten und mit denen ich zu leben gelernt habe, die Bestandteil meines Alltages sind und mir bisweilen gar nicht mehr auffallen. Gelegentlich werde von meinem Umfeld gefragt, ob ich die Operation nicht bereue und ich kann nur aus voller Überzeugung sagen: Nein, das tue ich nicht, ich würde mich jederzeit wieder dafür entscheiden.